Die Hand (des) Gottes

Objekt des Monats Dezember 2023

Vorderseite eines gefütterten Aureus des Nero aus dem Fahnenheiligtum im Militärkastell von Obertimm.
Rückseite eines gefütterten Aureus des Nero aus dem Fahnenheiligtum im Militärkastell von Obertimm.

Unser Objekt des Monats erzählt von einer der wohl berühmtesten (oder berüchtigtsten?) Figuren der Weltgeschichte, die am 15. Dezember 37 n. Chr. in Antium bei Rom geboren wurde. 

Die Goldmünze, ein Aureus aus dem römischen Kastell von Oberstimm, wurde 64/65 n. Chr. in Rom geprägt. Es handelt sich jedoch um einen »gefütterten« Aureus, dessen silberner Kern lediglich mit einer dünnen Goldschicht überzogen wurde. 

Auf ihrer Vorderseite zeigt die Münze das Porträt des Kaisers Nero (er regierte von 54 bis 68 n. Chr.) mit der Beischrift NERO CAESAR AVGVSTVS. Neros Gesicht ist füllig und er trägt eine aufwendige, mit der Brennschere arrangierte Frisur. Diese Merkmale bestätigen jedoch weniger das Klischee des dekadenten Tyrannen. Vielmehr reiht sich das Bild in die Tradition hellenistischer Herrscher ein und transportiert eine positive Botschaft: Unter der segensreichen Obhut des Kaisers florieren Wohlstand und Fülle. Die Rückseite der Münze ziert ein Bild des thronenden Jupiters mit dem Blitzbündel. Die Beischrift nennt den IVPPITER CVSTOS, den schützenden Jupiter. 

Göttliche Hilfe konnte Nero im Jahre 65 n. Chr. durchaus gebrauchen. Wenngleich die moderne Forschung das durch die Jahrhunderte geformte Bild des brandstiftenden Antichristen zu Recht korrigiert hat, die zeitgenössische römische Senatsaristokratie empfand seine Herrschaft alles andere als segensreich. 

Zahlreiche Aristokraten und Offiziere der Prätorianergarde schmiedeten ein Komplott gegen den Kaiser, das als »Pisonische Verschwörung« bekannt wurde. Sie planten, während der cerealia, der im April abgehaltenen Festspiele zu Ehren der Göttin Ceres, im Circus Maximus ein Attentat auf Nero zu verüben. Der für die Verschwörung namensgebende Senator Gaius Calpurnius Piso sollte nach dessen Ermordung die Regierung übernehmen.

Doch einen Tag vor der Ausführung scheiterte der Plan an Unvorsichtigkeit. Milichus, ein Freigelassener des Verschwörers Flavius Scaevinus, war misstrauisch geworden: Warum schenkte sein Herr am Abend zuvor noch zahlreichen Sklaven die Freiheit? Warum befahl er ihm, einen Dolch zu schleifen, sein Testament zu versiegeln und Verbandszeug herbeizuschaffen? Was hatten er und Natalis, ein enger Vertrauter des Piso, stundenlang hinter verschlossenen Türen miteinander zu bereden? Das alles roch doch geradezu nach einem Mordanschlag. 

In Erwartung einer reichen Belohnung gelang es Milichus, zum Kaiser vorgelassen zu werden. Scaevinus und ein Natalis wurden verhaftet, sie verstrickten sich rasch in Widersprüche. Für das passende Geständnis reichte es aus, dass der Folterknecht ihnen seine Instrumente zeigte. Es folgte eine Welle von Verhaftungen und Hinrichtungen, zu deren Opfern auch der berühmte Philosoph Seneca, einstiger Freund und Mentor Neros, zählte. Dessen Beteiligung an der Verschwörung ist durchaus wahrscheinlich, aber nicht gesichert.

Seine Rettung, dessen war sich der Kaiser jedenfalls gewiss, verdankte er einem ganz bestimmten Umstand: der schützenden Hand des Göttervaters Jupiter.

Markus Strathaus


Literatur

Stefan F. Pfahl, Goldene Zeiten am Limes. Rätische Münzbauopfer aus Aalen und Oberstimm, in: Der Limes 8, 2014, Heft 1, 32–36

Hans Schönberger, Kastell Oberstimm. Die Grabungen von 1968 bis 1971, Limesforschungen 18 (Berlin 1978) 155 Kat. A79 mit Taf. 16, 2