Die Kinder der Wölfin

Objekt des Monats Januar 2020

Römisches Gürtelblech aus Oberstimm mit der Lupa Romana und den Zwillingen Romulus und Remus. Oben lassen sich ein Eber und ein Bär erkennen, die vielleicht als »Wappentiere« zu deutend sind.

Erinnert Ihr Euch noch an die alte Eselsbrücke »753 – Rom schlüpft aus dem Ei« und an das sagenumwobene Gründungsdatum der »ewigen Stadt«?

Den dazugehörigen Mythos erzählt ein Exponat in der Dauerausstellung des kelten römer museums, mit dem wir unsere neue Reihe »Objekt des Monats« starten: Es handelt sich um ein Zierblech aus Messing, das archäologische Ausgrabungen im Römerkastell von Oberstimm ans Licht brachten. Das Blech datiert in die 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. und schmückte einst den Militärgürtel (cingulum militare) eines Soldaten.

Darauf dargestellt ist die Lupa Romana, also die römische Wölfin, die die Zwillingen Romulus und Remus säugt. Der Sage zufolge wurden die Babys in einem Korb auf dem Fluss Tiber ausgesetzt und strandeten an dessen Ufer. Eine Wölfin nahm sich dort der Kinder an, beschützte, pflegte und ernährte sie. Folgen wir der Geschichte weiter, dann gründeten die beiden Brüder schließlich die Stadt Rom.

Es gibt wohl kein anderes Motiv, das die kulturelle Identität und die Ehrwürdigkeit Roms besser zum Ausdruck bringt als die Lupa Romana. Sie findet sich vielfach in der römischen Kunst. Selbst andere Städte haben die Wölfin auf ihren Münzen abgebildet, um so ihre Verbundenheit mit Rom zu betonen.

In Oberstimm an der Außengrenze des Imperiums galt dies offenbar auch für den Träger des Militärgürtels. Oder wollte der Soldat vielleicht sogar stolz auf seine privilegierte Stellung als römischer Bürger hinweisen?

Bemerkenswerterweise finden sich identische Gürtelbleche mit Lupa Romana vermehrt im Legionslager Vindonissa, dem heutigen Windisch in der Schweiz. In der Forschung wird daher diskutiert, ob Soldaten der in Vindonissa stationierten 13. Legion das Hilfstruppenkastell von Oberstimm errichteten.

Markus Strathaus M.A.
Tobias Esch M.A.

Literatur

H. Schönberger, Kastell Oberstimm. Die Grabungen von 1968 bis 1971, Limesforschungen 18 (Berlin 1978) 172 Kat. B 140; 207–208. 217–218. 221 Abb. 76; Taf. 21 und 42