Wer den Pferdfisch nicht ehrt, ist des Fischpferds nicht wert.

Objekt des Monats Februar 2024

Bronzefigur eine Hippokamps aus der Keltenstadt von Manching

Wie fantastische Ideen aus fernen Welten in die Keltenstadt von Manching gelangten, davon erzählt unser Objekt des Monats im Februar 2024.

Das nur knapp fünf Zentimeter lange Bronzefigürchen brachten Ausgrabungen im einstigen Oppidum ans Licht. Es lässt sich in das 2. oder 1. Jahrhundert v. Chr. datieren.

Dargestellt ist vermutlich ein Mischwesen, halb Pferd, halb Fisch bzw. halb Pferd, halb Seeungeheuer, ein sogenannter Hippokamp. Gelegentlich werden die spiralig verzierten, leicht gebogenen »Ohren« auch als Hörner gedeutet. Dann hätten wir einen Capricornus vor uns, einen Hybriden aus Ziege und Fisch, wie er zum Beispiel auf Münzen des Augustus oder als Wappentier römischer Legionen abgebildet wurde. Die Form der Schnauze wiederum erinnert eher an die eines Pferds, womit die »Hörner« als angelegte Ohren angesehen werden könnten.

Bei einem Verwandten, den ein ebenfalls in Manching entdeckter Ringstein zeigt (siehe unser Objekt des Monats Oktober 2020), handelt es sich eindeutig um ein Pferd mit dem Hinterleib eines Meeresmonsters.

Spannend ist jedenfalls, dass das Motiv zwar aus der antiken Mittelmeerwelt entlehnt wurde, wo es vor allem in der griechischen und römischen Bildsprache verbreitet war. Das Figürchen spricht in stilistischer Hinsicht aber deutlich die Sprache der einheimisch-keltischen Kunst und stellt wohl ein lokales Produkt dar. Als typisch keltisches Symbol sei hier das Kreisauge genannt, welches als die Stirn des Mischwesens schmückt.

An der flachen Unterseite waren offenbar drei Eisenstifte angebracht, deren Ansätze noch zu erkennen sind. Diente es als Griff eines hölzernen Behälters?

Interessant ist vor allem auch die Lage des Fundortes unweit einer Ansammlung sogenannter Sonderbauten, die als Tempel oder Heiligtümer angesprochen wurden. Dieser Bereich lässt sich mitunter als eine Art »heiliger Bezirk« innerhalb der Keltenstadt deuten.

Hippokampen galten als Begleittiere von Meeresgottheiten wie Neptun oder den Nereiden, sie trugen zudem eine Bedeutung als Glücks- und Schutzsymbole.

Unser Meereswesen bildet also eine Schnittstelle zwischen gleich mehreren Welten: zwischen keltischen und griechisch-römischen Vorstellungen, zwischen den Sphären des Ozeans und des Festlands – und vielleicht sogar zwischen der Welt der Götter und der Welt der Menschen?

Markus Strathaus


Literatur

M. Schußmann, Die Kelten in Bayern. Archäologie und Geschichte, 3. Auflage (Regensburg 2022) 362 mit Abb. 477

S. Sievers, Manching – ein keltisches Machtzentrum, in: Markt Manching (Hrsg.), Manching. Moderne Marktgemeinde mit bedeutender Vergangenheit und großer Zukunft. Gemeindechronik, 3. Auflage (Manching 2014) 56–57 mit Abb. 44

Susanne Sievers, Manching. Die Keltenstadt, Führer zu den archäologischen Denkmälern in Bayern – Oberbayern 3, 2. Auflage (Stuttgart 2007) 117–118 mit Abb. 120