Festung für eine Nacht
Objekt des Monats September 2025
»Das Lager ist für den Sieger eine gute Heimstatt, für den Geschlagenen eine Zuflucht.«
Mit diesen treffenden Worten beschreibt der antike Historiker Livius den großen Wert von Feld- und Standlagern für die römische Armee. Nachdem sich unsere Objekt(e) des Monats August 2024 bereits dem Campieren und konkret den Zelten gewidmet haben, richten wir nun den Blick auf das große Ganze: das römische Marschlager. In unserer Sonderausstellung »Roms Armee im Feld« findet sich hierzu ein faszinierendes Modell, an dem sich viele Aspekte des Lagerbaus ablesen lassen.
Römische Soldaten führten im Feld ein hartes Leben: Sie mussten nicht nur stundenlang mit schwerem Gepäck marschieren, sondern anschließend auch ein Lager (castrum) errichten – und das oft Tag für Tag. Dabei war der Standort ganz entscheidend. Das Lager sollte gut geschützt und möglichst an einer Wasserquelle liegen, nicht zuletzt aber auch ausreichend Platz bieten. So benötigte eine Legion von bis zu 6000 Mann mindestens 18 Hektar, etwa 25 Fußballfelder. Ganz so groß ist das Modell in unserer Sonderausstellung allerdings nicht. ;) Es zeigt »nur« die Hälfte eines 2-Kohorten-Lagers, also einen Bereich für 500 Mann.
Wie wurde ein Marschlager errichtet? Zuallererst positionierte sich ein Vermesser an der späteren Kreuzung der beiden Hauptstraßen des Lagers, um dort eine groma aufzubauen. Mit diesem Vermessungsgerät ließen sich hervorragend rechte Winkel und somit z. B. die Positionen der vier Lagertore bestimmen, zu denen die orthogonal kreuzenden Hauptstraßen führen sollten. Damit glichen idealtypische Lager einem Schachbrett, denn es ging streng rechtwinklig zu. Dies gilt nicht nur für das Straßennetz und die Zeltreihen der Soldaten, sondern auch für die Befestigungsanlagen. Allein deren Ecken waren abgerundet.
Wenn die Vermessung erledigt war, wurde jeder Zenturie ein Abschnitt zugeteilt und die Soldaten gingen an ihre Aufgaben: Schanzarbeiten, Bewachung des provisorischen Lagers durch Vorposten, Aufstellen der Zelte, Versorgung der Tiere, Beschaffung von Holz und Wasser sowie Vorbereitung des Abendessens. Die Soldaten lernten all dies nicht erst im Einsatz, vielmehr gehörten Manöver zur Anlage von Feldlagern standardmäßig zu Ausbildung und Training. Solche Übungslager sind vor allem am Rhein bei Xanten und Bonn bekannt, aber beispielsweise auch im bayerischen Straubing.
Wie wurde das Lager verteidigt? Um das castrum herum wurde zunächst ein v-förmiger Graben ausgehoben, 1 Meter breit und 1 Meter tief. Die Erde aus dem Spitzgraben hat man dann zum Lager hin zu einem ca. 60 Zentimeter hohen Wall aufgeschüttet. Die Außenseite des Walls wurde mit rutschigen Rasensoden bedeckt, die Krone durch sogenannte pila muralia verstärkt, also durch hölzerne Schanzpfähle mit angespitzten Enden. Sie wurden in die Erde gerammt, durch Seile miteinander verbunden und boten damit den wachhabenden Soldaten auf dem Wall guten Schutz. Besonders anfällig waren die Tore von Feldlagern, da sie – anders als bei festen Standlagern – über keine Torflügel verfügten. Sie wurden stattdessen durch zusätzliche Wälle, Gräben und weitere Annäherungshindernisse sowie durch besondere Bewachung gesichert.
Warum dieser Aufwand? Ein Marschlager war weit mehr als ein Schlafplatz. Es bot Schutz und eine klare Ordnung inmitten eines oft unsicheren Feldzugs. Die Standardisierung trug maßgeblich zur Effizienz und letztlich auch zum Erfolg der römischen Armee bei.
Arwen Deyhle
Literatur
T. Fischer, Die Armee der Caesaren. Archäologie und Geschichte, 2. Auflage (Regensburg 2012) 267–269
M. Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 15. Auflage (München 2015) 325–334
C. Koepfer, Das Marschlager, in: T. Esch – H. Derks – T. Kurtz (Hrsg.), Im Dienste Roms. Legionen und Hilfstruppen, 2. veränderte Auflage (Manching 2025) 50–51