Objekt des Monats 

 

Im kelten römer museum gibt es viele Ausstellungsstücke zu entdecken. Einige fallen neben den archäologischen Highlights vielleicht nicht sofort ins Auge, doch auch sie haben spannende Geschichten zu erzählen! 

In unserer Reihe »Objekt des Monats« stellen wir ausgewählte archäologische Funde und weitere Exponate aus unserer Dauerausstellung oder einer aktuellen Sonderausstellung näher vor. 

 

 

Es ist ein Elch entsprungen 

Objekt des Monats November 2024 

Elchkiefer aus dem römischen Oberstimm.

Die Ausstattung der Ernährungsvitrine in unserer Römerabteilung gleicht einer kleinen Wundertüte. Darin finden sich nicht etwa eine versteinerte Pizza oder die älteste Spaghetti Carbonara, sondern Pfirsichkerne, Austernschalen und ein Elchkiefer, unser Objekt des Monats November 2024. Lebensmittel also, die erstmal nicht typisch bayrisch anmaßen. Die Pfirsiche und Austern wurden importiert. Elche hingegen gab es zur Zeit der Kelten und der Römer noch in Bayern, wie die Knochenfunde aus dem Kastell von Oberstimm belegen. Sie beweisen die Artenvielfalt von Wildtieren in der Antike: 37 verschiedene Tierarten wurden gezählt, darunter befanden sich übrigens auch Braunbären und graue Kraniche. Mittlerweile sind sowohl Braunbären, graue Kraniche als auch Elche schon längst aus dem Lebensraum der Donau verdrängt.

Der Elchkiefer ist der einzige Knochen eines Elches, der in Oberstimm gefunden wurde. Die Gründe für sein seltenes Vorkommen sind zum einen die schon damalige Migration der Elchpopulation in nordöstlichere Regionen und zum anderen ihre Verhaltensweise. Im Gegensatz zu Rotwild leben Elche in recht kleinen Gruppen. Ältere Individuen leben sogar als Einzelgänger und sind somit seltener anzutreffen und schwieriger zu bejagen. Niemand anderes als Gaius Iulius Caesar, Feldherr und der vielleicht berühmteste Römer, würde hier lautstark widersprechen, denn als er seine Berichte zum Gallischen Krieg schrieb, wurde ihm von irgendjemanden ein Bär – nein, ein Elch aufgebunden.

Er beschreibt die Tiere so: »Es gibt ebenso Tiere, die Elche genannt werden. Ihnen ist die Gestalt und die Färbung von Rehen ähnlich, aber in der Größe übertreffen sie sie ein wenig, ihre Hörner sind verstümmelt und sie haben Beine ohne Knöchel und Gelenke.«

Keine Gelenke? Der Oberstimmer Elch besteht eigentlich nur aus einem halben Unterkiefer, trotzdem gehen wir davon aus, dass der Rest seines Körpers existiert hat, mitsamt Kniegelenken. Hätte Caesar höchstpersönlich den Oberstimmer Elch erlegt, hätte er die angebliche Gelenklosigkeit der Tiere zu seinem Vorteil genutzt. Er hätte einen Baum angesägt oder von einer Seite untergraben und dann darauf gewartet, dass der Elch müde wird. Denn Caesar schreibt weiter: »Weder legen sie [die Elche] sich zum Schlafen hin, noch können sie, wenn sie durch irgendeinen Zufall umgeworfen, sich aufrichten oder aufstehen. Ihnen dienen Bäume als Schlafstätten.«

Der gedanken- und gelenklose Elch lehnt sich in Caesars Vorstellung also an einen angesägten Baum und fällt mit diesem um. Das Wiederaufstehen ist sowohl ihm, als auch dem Baum unmöglich. Heute wissen wir, was Caesar nicht wusste: Elche haben Kniegelenke. Doch dieser Fauxpas, der entweder Caesar oder aber einem der Abschreiber unterlaufen sein mag, bleibt ein eindrucksvolles Denkmal dafür, dass man den antiken Quellen nicht immer alles glauben sollte. Nicht nur Caesars Werk wurde mehrfach abgeschrieben, auch Caesar selbst bediente sich bei den ihm vorliegenden Geschichtswerken und schrieb ab, ohne auch nur eine Fußnote zu setzen.

Henrike Wachsmuth

Literatur

A. Stettmer, Die Tierknochenfunde aus dem römischen Kastell Oberstimm. Ldkr. Ingolstadt/Bayern (Grabungen 1994) (Dissertation Ludwig-Maximilians-Universität München 1997)

 

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