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Objekt des Monats Januar 2022 

Citrin-Intaglio mit Brunnenszene des Passauer Gemmenschneiders Martin Seitz.

Heuer starten wir unsere Reihe »Objekt des Monats« mit einer Citrin-Gemme von Martin Seitz aus der Staatlichen Münzsammlung München. Das Intaglio, also ein Stein mit vertieft eingraviertem Dekor, zeigt eine junge Frau mit langem Gewand, die auf dem Rand eines Brunnenbeckens sitzt. In ihrer linken Hand hält sie einen Zweig und neckt mit diesem einen Reiher. Hinter ihr steht eine doppelhenkelige Amphore mit Deckel.

Betrachtet man die Gemme eingehender, fallen noch viele weitere Details ins Auge. Zu nennen sind nicht nur die filigran arrangierten Gewandfalten und das minutiös ausgearbeitet Vogelgefieder, sondern auch die am Brunnen emporkletternde Eidechse. Je länger man dieses miniaturhafte Meisterwerk von nur 5,35 mal 3,6 Zentimetern erkundet, umso detailvernarrter wird man. Könnt Ihr zum Beispiel den figürlichen Schmuck auf der Amphore erkennen?*

In unserer aktuellen Sonderausstellung »Kunst in Miniatur« könnt Ihr das Objekt und weitere Gemmen aus Seitz’ Hand noch bis zum 6. Februar 2022 unter die Lupe nehmen. Wie uns sein Name bereits verrät, stammte Martin Seitz (1895–1988) nicht aus dem antiken Italien oder Griechenland, sondern aus dem modernen Niederbayern, genauer aus Passau. Im 20. Jahrhundert gab es nur noch wenige Künstler, die sich dem Gemmenschnitt widmeten. Eine seltene und viel gerühmte Ausnahme bildete Seitz, der in Luzern, Passau und München ausgebildet wurde.

Ab 1925 schnitt Seitz zunächst Gemmen im relativ weichen Material des Bernsteins, bald widmete er sich aber auch harten Edelsteinen. Seinen ersten Auftrag erhielt er 1932 für einen Christuskopf in Amethyst von der Erzabtei St. Ottilien in Oberbayern. Bis zu seinem Tod sollten zahllose weitere Gemmen folgen, die Seitz bei Ausstellungen in Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien und den Niederlanden präsentierte und die vielfach ausgezeichnet wurden.

Seitz pflegte auch enge Beziehungen zu bedeutenden Archäologen. So verwundert es nicht, dass auf seinen Gemmen oft antik anmutende Sujets zu finden sind. Seitz ahmte die alten Vorbilder aber nicht streng nach, sondern entwickelte seinen eigenen Stil mit viel Eleganz, schlanken Proportionen und Anklängen an Jugendstil, Art déco und Neue Sachlichkeit. Bis heute wirken seine Gemmen geradezu zeitlos modern.

Jasmin Braun M.A.

 

* Richtig! Es handelt sich um ein Pferdegespann mit Wagen und einem bis auf den Mantel nackten Lenker.

 

Literatur

T. Esch, Moderne Gemmen aus Passau, in: T. Esch (Hrsg.), »Die Ideen der Alten.« Zum Nachleben antiker Steinschneidekunst in Bayern, Schriften des kelten römer museums manching 14 (Manching 2021) 74–75.

M. Strathaus, Brunnenszene, in: T. Esch (Hrsg.), »Die Ideen der Alten.« Zum Nachleben antiker Steinschneidekunst in Bayern, Schriften des kelten römer museums manching 14 (Manching 2021) 80–81 Kat. E18.