Oh my deer!

Objekt des Monats Februar 2021

Keltische Gefäß mit Hirschdarstellung aus dem Oppidum von Manching.
Die Hirschfigur könnte auf den keltischen Gott Cernunnos hinweisen, der teilweise auch als menschliches Mischwesen mit Hirschgeweih dargestellt wurde.

Bei unserem Objekt des Monats Februar 2021 haben wir es dieses Mal mit einem keltischen Gefäß aus Grafitton zu tun, das im Oppidum von Manching entdeckt wurde und vermutlich ins 2. Jahrhundert v. Chr. datiert.

Von besonderem Interesse ist die bezaubernde Ritzzeichnung, »Graffito« genannt, die den Gefäß-Bauch schmückt und einen nach rechts springenden Hirsch zeigt. Die Figur wurde einer besseren Sichtbarkeit zuliebe in der Moderne weiß nachgezeichnet.

Welche Bedeutung mag dem Hirsch aber nun zukommen? Es ist nicht ausgeschlossen, dass der springende Paarhufer, der im vorderen Köperbereich Spiralverzierungen aufweist, einem rein dekorativen Zweck diente. So wurde auch die Vermutung geäußert, dass es sich um eine Art künstlerische »Übungsskizze« handelt.

Doch lassen sich die kurzen senkrechten Linien, die über den Bauch und den Hinterlauf verteilt sind, möglicherweise als Angabe von Federn und die am Hinterteil noch sichtbare (nicht weiß eingefärbte) Kurvenlinien als Flügel deuten? Wäre somit ein geflügeltes, dem Pegasos ähnliches Fabeltier abgebildet?

Einer anderen Deutung zufolge könnte der Hirsch auf den keltischen Gott Cernunnos verweisen. Diesen Namen übertrug die Archäologie auf ein in der keltischen Bildsprache vertretenes, mit Geweih oder Hörnern ausgestattetes und als Hirschgott interpretiertes Wesen. Könnte das Hirschgefäß demgemäß als Weihegabe oder als rituelles Behältnis gedient haben?

Fest steht jedenfalls: Auf den ersten Blick mag uns die Hirschfigur als »flüchtiges Gekritzel« erscheinen – doch sie lohnt weitere Blicke, die uns tiefer in die Vorstellungswelt der Kelten entführt.

Markus Strathaus M.A.

Literatur

W. Krämer, Figürliche Ritzzeichnung auf Gefäßscherben glatter Drehscheibenkeramik der Mittel- bis Spätlatènezeit, Germania 74, 1996, 361–377